Fred Zaugg in «Der Bund», 1979
Die lange Strasse des Berner Malers und Zeichenlehrers Urs Brunner führt durch die Wüste, vorbei an der Tafel «Welcome to Arizona», hinein in die endlose Weite, aus der die Säulenkakteen in den wolkenlosen Himmel fingern. Ein Amerikabild. Ein Grenzbild. Wüste und Zivilisation, Niemandsland und brummende Trucks, Nachtwirklichkeit und Drive-in-Kino sind nahe zueinander gerückt. Urs Brunner fährt malend zwischen unberührter Natur und Signalen unserer Zeit, eine Grenze markierend, die nicht allein für Amerika ihre Bedeutung hat. Freiheit und ihre Beschränkung sind in den minuziös gemalten Bildern enthalten. Man könnte auf den ersten Blick meinen, es handle sich um Werke der sogenannten fotorealistischen Richtung, das heisst um Malerei, die sich streng an eine fotografische Vorlage hält. Urs Brunner geht hier einen Schritt weiter: Wohl bilden Fotografien auch bei ihm die Basis, doch er komponiert seine in Acryl, Gouache und Aquarell gemalten Bilder aus verschiedenen Aufnahmen zusammen und versucht damit, den Stimmungsgehalt zu steigern, das eher Zufällige auszuschalten. Damit gelingt es ihm, den Betrachter mitzunehmen, in den amerikanischen Südwesten, Erinnerung in ihm zu wecken, Träume auszulösen. Er teilt Erlebnisse mit, erzählt vom Ringen zwischen Wüste und Zivilisation und gibt auch dem Abenteuer Platz in diesem Raum, wo Werden und Vergehen aufeinander prallen.
Ulrich Berger in «Bieler Tagblatt / Seeländer Bote», 1979
Weite Wüstenlandschaften, Säulenkakteen (Saguaros), blaue Himmel und reklamegarnierte Provinzstädtchen, das sind die Motive, mit denen sich Urs Brunner auseinandersetzt. Man spürt es genau: Der Berner hat den amerikanischen Westen bereist. Dabei hat er aber wesentlich mehr als herkömmliche Ferienerinnerungen nach Hause gebracht. Es sind die scharf beobachteten Kontraste, die urtümliche Wüste einerseits und deren Besitznahme durch die Zivilisation anderseits, die faszinieren. Urs Brunner ist Zeichenlehrer. Er unterrichtet an der Kunstgewerbeschule Bern und am Staatlichen Seminar Bern. Wenn er malt, dann hilft Country-Rock-Musik Stimmung schaffen. Fotos dienen als Grundlage, sich gedanklich in eine Situation hinein zu fühlen. Brunner arbeitet im Aquarell überaus genau und setzt seine Striche äusserst präzise. Um den Eindruck der Weite nicht zu gefährden, greift er oftmals zur Collage, das heisst, er setzt den separat gemalten Bildervordergrund auf den blauen Hintergrund. Spezielle Erwähnung verdienen die so entstandenen „Lastwagenbilder“. Wird zum Grossformat gegriffen, dann arbeitet Brunner mit Dispersion. Wiederum entstehen überaus wirklichkeitsnahe Bilder. Urs Brunner ordnet seine Kunst denn auch dem Hyperrealismus zu, einer extremen, wohl auch überspitzten Wirklichkeitsdarstellung also. An seiner ersten Einzelausstellung in der intimen Galerie Alibi an der Obergasse 16 in der Bieler Altstadt schliesslich ist auch eine Serie mehrfarbiger Linolschnitte zu sehen.
rwb. in «Der Bund», 1979
In Biels neueröffneten Galerie «Alibi» stellt Urs Brunner Malerei und Druckgrafik aus. Dabei handelt es sich um eine geschlossene Serie, der Ausbeute zweier Reisen durch Arizona. Die unmittelbare Wiedergabe optischer Eindrücke hat das Primat.
Die Impressionen sind in flächiger Plakatmanier formuliert. Ein kommerziell herausgestellter Amerikanismus etabliert sich in die wilden Gebiete der Wüste Sonora und des Saguaro-Waldes. Durch karge Vegetation, mit vereinzelten Säulenkakteen auf spröder Erde, führen moderne Strassen, garniert mit oft brüllenden Affichen. Stationen wie Motels und Tankstellen erscheinen geradezu als Buketts bunter Anpreisungen in patiniertem Jugendstil. Und letztlich verträgt sich diese spezielle Landschaft mit dem applizierten Menschenwerk aufs Beste.
Die fast urweltliche Atmosphäre der Naturgegebenheiten wirkt hier eigentlich unzerstörbar; aber sie scheint fasslich geworden, zumindest begehbar und provisorisch auch bereit, Asyl zu gewähren. Den vernarbten und stückweise zerfaserten Kakteen-Riesen in der Einöde steht alles bauliche Beiwerk wie freundlich geduldetes Kinderspiel gegenüber. Gigantische Trucks auf der Mater Row scheinen eben knapp gross genug in der machtvollen und unendlich auswellenden Ferne.
Die Darstellungsweise des «vergessenen» und erst oberflächlich bemenschten Lands löst beim Beschauer einerseits Beklemmung aus. Der Künstler lässt indessen unverkennbar die tröstliche Einsicht durchschimmern, dass die Erde noch Lebensraum in Reserve halte und auch die scheinbar unwirkliche Wüste keinesfalls unwegsam sei. Karambolagen geschehen hier allein auf der Strasse und niemals in Konfrontation mit der Natur.
Martin Hennig im «Basler Magazin» der «Basler Zeitung», 1979
«Go West young man and grow up with the country» («Zieh westwärts, junger Mann und werde mit dem Land gross»), schönmault das Motto aus den Tagen der Grenzer und Pioniere. Auch Urs Brunners Bilder sind gross geworden im weiten Westen. 1971 und wieder 1975 hat er sich in den USA und insbesondere in Arizona aufgehalten und dort das geschaut, was ihn zu seinen Bildern trieb. Brunner ist es wohl mit Arizona ergangen wie dem Kunstkritiker Mabry mit den Foros Walker Evans‘ von Easton, Pennsylvania, und wie es dem Brunner-Fan angesichts der Kakteenwüsten und Strassen zumute sein mag. Mabry schrieb 1938 in der Novemberausgabe von «Harper’s Bazaar»: «Mir ist, als sei ich dort geboren worden». Urs Brunner bekennt, gedanklich häufig in jenen epischenWüstenlandschaften im Südwesten der USA zu leben. Ihn fasziniert das brutale und zugleich einschmeichelnde Wechselspiel zwischen meditativer Wüsteneinsamkeit und pompös-verlorenem Flimmern amerikanischer Neonnächte.
Die Erscheinungsform der Bilder könnte man dem zuordnen, was unter der Flagge «Photorealismus» segelt. Aber im Gegensatz zu den sogenannten Photorealisten, die weitgehend eine Photographie malend reproduzieren, komponiert Brunner aus verschiedenen Photos eine fiktive Situation, allerdings durchaus nach naturalistischen Gesichtspunkten.
Wichtig ist für Brunner die Stimmung bei der Arbeit, die er sich aus der Erinnerung erzeugt – mit Hilfe musikalischer Beeinflussung. Country-Rock und Westcoast-Rock, der ihn auf staubigen Highways aus dem Autoradio in Schwingungen versetzte, hallt beim Malen auch durchs heimatliche Atelier.
Urs Brunner schätzt die Werke des amerikanischen Malers Edward Hopper. Während Hoppers Bilder von Amerika aber von Kälte und Bedrückung erzählen, herrscht bei Brunner doch ein heiterer Geist vor. Befreiung von schweizerischer Enge angesichts der weiten Horizonte Arizonas?
Urs Dürmüller in der «Berner Zeitung», 1982
Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen. Der Berner Urs Brunner allerdings erzählt nicht, er malt seine Reiseeindrücke. Wo andere mühsam nach Worten klauben, greift der Maler zu Pinsel und Acrylfarbe und gestaltet faszinierende Bilder – Bilder der Erinnerung, der Verklärung und der Mythologisierung.
Brunner ist, wie so viele andere Schweizer auch, „angefressen“ von der Landschaft des amerikanischen Südwestens, vor allem der Wüstenstriche des US-Bundesstaates Arizona. In hyperrealistischer Manier schafft Brunner aus der Erinnerung und nach Fotos komprimierte Western-Szenen. Seine Bilder enthalten die Essenz des Far West: Den Highway, der sich schnurgerade durch die Wüste zieht, die gefährliche Grösse der Trucks, Figuren, die den Filmen Sam Peckinpahs entsprungen scheinen, hier eine Fronzier Town, dort ein Motel und da eine einsame Gas Station, und immer wieder die riesigen Säulen-Kakteen.
Brunner hat seine plastischen Eindrücke auf zwei Reisen (1971 und 1975), vor allem in Arizona, geholt. Zur Zeit ist er zum dritten Mal mit dem Auto in Arizona unterwegs. Auf die neue Ausbeute darf man gespannt sein.
Brunner jedoch schafft nicht bloss einen Abklatsch des amerikanischen Südwestens, er bringt in seine Bilder auch seine Persönlichkeit und sein Schweizertum recht deutlich ein. Da entstehen denn surrealistische Verbindungenvon Arizona-Wüste und Berner Voralpen, und da bricht sich die Western-Erfahrung doppelt in den Augen der gemalten Touristen, die mitten in der Wüste den Abbildern bekannter Western-Helden begegnen.
Emanuel Dettwiler in der «Berner Zeitung», 1983
Arizona mit seinen kargen, von Säulenkakteen beherrschten Wüstengegenden ist das durchgehende Thema der Ausstellung in der Zähringer-Galerie.
Schon nach der ersten Begegnung mit den rund fünfzig Aquarell-, Gouache- und Acrylmalereien fühlt man sich im Südwesten der USA «on the road». Tatsächlich ist die Strasse mit ihren schweren Trucks, den popartig beschilderten Motels und den in die Dämmerung hinausstrahlenden Neonschriften die Hauptperspektive des Künstlers. Von hier nimmt er den Kontrast zwischen menschlicher Zivilisation und der Ursprünglichkeit der Wüstenwildnis wahr, den er in seinen Bildern nicht nur photorealistisch darstellt, sondern durch behutsame Montage verschiedener Momentaufnahmen auf beeindruckende Art verdichtet. Brunner überhöht so die Realität und lässt die im Gedächtnis haftenden Eindrücke seiner Aufenthalte ebenso mitspielen wie das unbestechliche Objektiv der Kamera. Es gelingt ihm damit, viel von der Magie und der Faszination, die von Arizona und seinen «Saddle Tramps» ausgeht, spürbar zu machen und die subjektiven Stimmungen in der Realität mitschwingen zu lassen.
Mit leisem Augenzwinkern übersteigert Brunner seinen Hyperrealismus ins Surreale, wenn er etwa die Nünenenflue als karges Wüstengebirge darstellt und die Gantrischhütte zum «Jakes Corner» umfunktioniert.
Überzeugend an Brunners Werken ist nicht nur ihre hervorragende technische Ausgestaltung, sondern vor allem auch die dahinterstehende ehrliche Liebe zu einer ganz bestimmten Welt, die auch einen leisen romantischen Zug nicht verleugnet.
Fred Zaugg in «Der Bund», 1983
Dass Wüstenträume nicht wüst sein müssen zeigt Urs Brunner in der Zähringer Galerie. Er träumt von Arizona, vom Wüstenstaat, von der Sonora mit ihren bizarren Felsgebilden und Kakteenwäldern, von Fussabdrücken im Sand, vom farbigen Himmel und fernen Horizonten. Und dann sind da die Zeichen des Menschen, die Plakatwände, die Autos, die Trucks, die einsamen Tankstellen und Trinkbars, die Neonreklamen und die andern Wegweiser. Ferner immer wieder Strassen, ins Niemandsland führende Strassen, Fernwehstrassen.
Die in Aquarell, Gouache und Acryl, in Gross- und Kleinformat geschaffenen Wüstentraumbilder spiegeln genau die übersteigerte Wirklichkeit der Vision und der Imagination. In sogenannter hyperrealistischer Manier malt Urs Brunner seine Liebe zum «Grand Canyon State» und zu seiner monumentaler Einsamkeit. Begegnung und Erfahrung – in doppelter Hinsicht – bilden das Fundament der Wüstenträume. Urs Brunner hat den Südwesten der Vereinigten Staaten dreimal bereist, hat mit den Sinnen und der Kamera aufgenommen, was sich ihm als Wildnis der Natur und als Verwilderung der Zivilisation darbot, jene Kontraste zwischen Säulenkakteen und poliertem Blech, zwischen sengender Sonne und Coca-Cola, zwischen Klapperschlange und Bikini.
Man könnte von Filmbildern sprechen, die da zu Gemälden auskristallisiert worden sind, von Westernszenen, von Easy-Rider-Geschichten. Die Übertragung von der Fotografie in das Bild entspricht einer imaginativen Verarbeitung und gleichzeitig einer Mythologisierung, ja einer Beschwörung des Erlebten, wie Urs Brunner selbst seine Arbeit erläutert.
Wenn dann allerdings plötzlich die Gantrischsilhouette in die Sonorawüste aufragt und damit eine «Gantonora» daraus wird, kann auch dem hiesigen Betrachter die Nähe der Aussage bewusst werden. Nicht Exotik im touristischen Sinne legt Urs Brunner vor, sondern eine Landschaft der Sehnsucht, seine Landschaft. Mit seinen Wüstenbildern, seinen zerbeulten Autos, seinen Bretterspelunken, seinem Neongeflimmer und seinen Kakteenhainen erzählt er von der Kraft der Elemente und vom Wahn der Menschen, von Freiheit und von Durst.
In diesem Sinne ist Urs Brunner ein Romantiker, selbst wenn seine blaue Blume ein Kaktus ist, ein mit hohem technischem Können und leidenschaftlicher Hingabe gemalter Kaktus.
Gabriela Brodbeck in «Der Bund», 1984
Urs Brunner hat Arizona im Blut und ist in seinen Träumen und Gedanken oft in Amerikas immer noch ein wenig wildem Westen. Dorthin nimmt er die Betrachter seiner hyperrealistischen Bilder auf einer Phantasiereise auch mit: Die Wüste, Natur in Breitleinwand-Weite, Klapperschlangenfänger und Kakteengestachel werden, aus Erinnerungen und Fotografien gelöst, zu Versatzstücken stimmungsvoller Aquarell-, Gouache- und Acrylmalereien, in die sie sich ab und zu auch die Nünenenflue einschleicht.
Ausser bei solchen Verwirrspielen geht alles jedoch beinahe noch wirklicher als in Wirklichkeit zu: Da sind die schrillen Motelschilder, die in allen Farben «Color TV» oder einen «Heated Pool» anpreisen und nahelegen «Here we Rest» – auf der langen Fahrt über endlose Highways, auf der man chromglänzende Trucks überholt oder einem einsamen Stop-Schild «in the middle of nowhere» begegnet, um schliesslich bei Sonnenuntergang in einem Drive-in einen Hauch Hollywood-Glamour zu schnuppern.
Gabriela Brodbeck in «Der Bund», 1986
Ein Wüstenschiff – wörtlich, nicht zoologisch zu nehmen – ist eingefahren in die Zähringer Galerie, hat sich verirrt im trockenen Meer aus Wüstenwogen, im Sandsturm, hat seinen Bug, der die sanften Linien der Dünen nachzeichnet, tief eingegraben in den Sand. Für mich ist es das Bindeglied zwischen Urs Brunners letzter Ausstellung hier mit Motiven aus Arizona und nun den neuen Aquarell-, Gouache- und Acrylmalereien.
Die Faszination seiner immer ausgefeilteren Trompe-l’oeil-Technik entspricht dabei jener der grossen Schiffe oder dessen, was von ihnen übrigbleibt – der Wracks. In einer Malweise, die in der immer perfekteren Annäherung an die Realität unversehens ins Über- und Unwirkliche gleitet, können sie ihre Magie entfalten, diese Rostgetüme und Urtier-Skelette aus neuer Zeit, die ihre Takelagen und Schiffsschrauben, ihre massigen Leiber aus den Wellen recken oder den Fischen in der grünen Tiefe als Tummelplatz überlassen.
Urs Brunner schöpft dieses Thema und sein Umfeld in seiner ganzen Vielfalt aus: Er findet Form-Analogien zwischen Schiffsrumpf und Walfisch, zwischen Tauchersprung und Delphintanz, U-Boot-Turm und Haifischflosse, zwischen der lichterglitzernden Titanic und dem Eisberg, der ihr in einer Sternennacht zum Verhängnis wird – nachgezeichnet in zwei dreiteiligen Bildern.
Auch Doppelbilder sind Ausdrucksmittel des Künstlers: Naturkraft und Menschenwerk stellt er als Gegensätze einander gegenüber, Lebendiges und Totes, aber auch Schwimmendes und Fliegendes, Feuer und Wasser – denn nicht Wracks allein, nicht nur Meergetier, Bojen und Schifffahrtszeichen aller Art tauchen auf (oder ein) in seinen dramatischen, stillen und frechen Salzwasser-Szenerien. Auch Flugzeuge und eindeutig Kriegerisches stürzt da brennend in die blauen Wellen oder macht traumhafte Südsee-Idyllen zum Albtraum.
Solche Kritik ist erlaubt bei aller melancholischer Grandeur «verendeter» Schiffsriesen… und das Nachsinnen über die Spuren unserer «Zivilisation» und ihre Vergänglichkeit, über ihren Kamp mit den Gewalten einer noch nicht ganz gelähmten Natur, ihren Triumph und ihren Untergang samt seinen grossartigen und schäbigen Relikten – über das, was bleibt.
Konrad Pauli im «Bieler Tagblatt/Seeländer Bote», 1986
Die doppelbödige Bilderwelt des Künstlers Urs Brunner in vordergründigem Realismus hat die Tendenz ins Surreale, Abgründige abzugleiten.
Leise, stillverträumt, unbeschwert beginnt das Ganze: In der «Kleinen Wellensequenz» kräuselt sich die leicht bewegte Wasserhaut zu zwei, drei weissschimmernden Krönchen, es besteht kein Anlass zur Sorge, kaum ist ein Hinweis auszumachen auf die Unruhe und Erschütterung, die da jederzeit möglich sind. Das Bild ertönt gleichsam zur Einstimmung, bildet die Ouvertüre zu einem gemalten Drama in über fünf Dutzend Szenen. Jede Szene spielt für sich und erzählt doch den einen Stoff.
Maltechnische Grundlage ist für Urs Brunner der Realismus. Wie leicht die vordergründig vertrauten Strukturen und Perspektiven des naturalistischen Malakts ins Hinter-, ja Abgründige, zuweilen gar ins Surreale umkippen kann (ohne dass ein gewisses Mass an Heiterkeit und Humor dabei verloren ginge): Das demonstriert der Künstler auf handwerklich bestechende, thematisch anregend-aufrüttelnde Weise.
Die Bildwelt teilt sich etwa in eine Ober- und Unterwelt. Da Urs Brunner, selbst erfahrener Taucher, wohl mit derselben Leidenschaft und Aufmerksamkeit ins Wasser wie wiederum ans Land geht, vermittelt er Aussicht auf beide Ebenen. In «Taucherluft» sehen wir, wie die Atmung unter Wasser die Elemente geradezu aufwühlt, ganze Trauben von Luftblasen hochwirbelt, die nach ihrem Aufstieg an der Oberfläche in müde Kringel zerbröseln. Fazit: Je nach Standort und Optik (des Betrachters) verändert sich das Ereignis.
Diese Doppelbödigkeit, die ja «nur das Abbild» des einen Vorgangs ist, ermöglicht in vielen Varianten faszinierende malerische und inhaltliche Dimensionen. So spuckt das sinkende Schiff seine Ladung (Fässer usw.) aus; Wracktrümmer schiessen hoch und verweisen auf den unten liegenden Schiffskoloss. Nun weitet sich die Thematik aber aus: In der «Grossen Südseeidylle» zeigt ein gestrandetes U-Boot plözulich sein Haifischgesicht; Flugzeuge sind den Fischen ähnlich, Taucher gleichen dem Delphin, Schiffe verwndeln sich hurtig in Seegetier.
Wären die prächtig-unheimlichen Bilder von Urs Brunner nicht derart solide gebaut, geduldig, sorgfältig, detailgenau ausgeführt, möchte man von einem Fabulierer reden, einem Pinselspaziergänger, der zu liebenswürdig-bedrohlichen Rundgängen am Abgrund einlädt. Er führt Wüstenschiffe durch Sandwellen, bringt auf originelle Weise Feuer und Wasser «zusammen», lässt auch das «Objekt trouvé» in der Form eines Bügeleisens nicht aus und verwandelt es in einen Schiffsbug, bringt Grössenverhältnisse durcheinander, stellt die Welt auf den Kopf, bis sie auf reizvollen Gedankenumwegen wieder ins Lot kommt.
Fred Zaugg in «Der Bund», 1989
Urs Brunner, am 29. Januar 1944 in Bern geboren, nimmt sein Sternzeichen wörtlich:
Obwohl der Wassermann für Astrologen ein Luftzeichen ist, lebt der Künstler zu einem nicht unwesentlichen Teil im, beziehungsweise unter dem Wasser. Dieser seit Jahrzehnten von ihm geübten Leidenschaft des Gerätetauchens steht indessen eine andere Faszination gegenüber: die Wüste, der Südwesten der Vereinigten Staaten von Amerika vor allem.
Urs Brunner erscheint in den Weiten von Wasser und Sand als später Abenteurer auf den Spuren unserer nicht über alle Zweifel erhabenen Zivilisation. Als Maler bändigt er die erlebte Wildheit und komponiert in Acryl aus dem Geschauten Bilder und Bildgruppen von höchster Exaktheit und Detailtreue, die in den Kategorien Hyper- und Fotorealismus anzusiedeln sind.
Sie führen aber über die Realität hinaus, denn Urs Brunner wird malend und zeichnend zum Erzähler, zum Denker, zum Kritiker und zum ironischen Kommentator.
Er berichtet von Endstationen, von gesunkenen Schiffen, von sterbenden Kakteen, von verlassenen Tankstellen, von überfluteten Dörfern, von Seezeichen, Strassensignalen und Hotelreklamen. Und er konfrontiert diese Spuren des Menschen, diese am Weg durch die Zeit zurückgelassenen Wracks mit der Natur, mit ihrer Grösse und Stille.
In Analogien, die beispielsweise Jahrmillionen verknüpfen können, kommen Witz und Moral Urs Brunners gleichermassen zum Tragen, und in feinsten Aquarellen präsentiert er seine Schätze, seine Fundgegenstände und Produkte der Populär-Kultur und lässt ihre magische Kraft im hiesigen, ihnen fremden Raum spürbar werden.
Manchmal tritt dabei auch der Lehrer in Erscheinung, doch passt diese Eigenschaft zu Urs Brunner, diesem Abenteurer und akribischen Maler, diesem Freiheitshungrigen und virtuosen Beherrscher der Technik, diesem Froschmann und heimlichen Romantiker.
Dass er seine Werke mit Zitaten aus der Literatur – von Enzensberger, Lenz, Geiser, Abbey – begleitet, gehört mit zum Ziel, sich Klarheit zu verschaffen, Klarheit in diesem Leben, dieser Zivilisation, dieser Welt, dieser Zeit, und die Erkenntnisse weiterzugeben.
egs. im «Burgdorfer Tagblatt», 1989
Urs Brunner ist ein «Angefressener», einer, der der Faszination des Wüstenstaates Arizona erlegen ist. Der Kontrast zwischen ursprünglicher Wüstenwildnis und unübersehbarer Populär-Kultur der amerikanischen Zivilisation hat den Künstler in Bann geschlagen: Highways, Tankstellen und anonyme Siedlungen auf der einen, Riesenkakteen, schroffe Gebirge, endlose Wüsten auf der anderen Seite. Von der Land-Wüste lässt sich leicht ein Bogen spannen zur Wasser-Wüste. Urs Brunner ist ein passionierter Taucher. Die Wasseroberfläche empfindet er als Grenze zu unheimlichen geheimnisvollen Tiefen. Auftauchende befremdliche Tiere, treibende Trümmer und verrottete Wracks sind ein Zeichendafür. Von Arizona Reisen hat er mittels Fotografie ungezählte Spuren aus Wüste und Zivilisation gesammelt, um zuhause die fremde Welt heraufbeschwören zu können. Sie finden Niederschlag in seinen Malereien. Grosse und kleinere Formate, Acryl oder Aquarell, in hyperrealistischer Manier gemalt, vermitteln einen bleibenden Eindruck von Urs Brunners mythologisierten Welten.
Konrad Pauli im «Bieler Tagblatt», 1989
Ein nicht geringer Teil des Ausstellungsgutes bezieht sich auf Brunners vierte Arizona-Reise. Mit vielen teilt er das Verlangen, Randzonen aufzusuchen, Aussen- und Vorposten, wo mit aller Schärfe das eine aufhört und dem anderen Platz macht. Hier ist es die Nahtstelle zwischen Zivilisation und Wildnis. Und somit oft die (vorläufige?) Niederlage der Natur vor dem ausbeutenden Zugriff des Menschen. Eine zusätzliche Dimension öffnet sich, wenn Urs Brunner als leidenschaftlicher Taucher die Oberfläche des Wassers durchbricht. Wie wenig bei Brunner das Abenteuer des Reisens zur Abenteuerreise vertrocknet ist, zeigt die Art, wie er seinen Streifzug geistig-seelisch ausleuchtet und in die Sprache der packenden Form rettet. Wenngleich stilistisch der Foto- und Hyperrealismus den Ton angibt, dient alles (verblüffende!) Technische einzig dem Zweck, thematisch komrimierten Aussage.
Wiederholt reiht sich eine Idee, gegliedert in Stationen des Ablaufs, gleichsam wie ein Altarbild. Unaufdringlich gelingt so der Schritt ins Metaphorische. Die Mehrteiligkeit erweist sich als Perspektivenzuwachs.
So nähert sich der Betrachter beispielsweise einem Stausee aus der Pilotensicht. Und die wachsende Nähe verändert nicht nur die Welt (als Ergebnis individueller Sicht), sondern setzt auch neue Strukturen frei. Wie wunderlich Brunner das Irritierspiel treiben kann, zeigt das «Weinflaschenwrack»: Bei geradezu versessener Detailgenauigkeit bleibt die Flaschenpost mit ungenauer Angabe des Fundorts. Hier berühren sich Extreme: höchste Exaktheit wie Offenheit. Näher heran zu neuen Weiten. Bedeutungszuwachs, wenn Erklärungswut auf intensive Weise das Rätsel nährt.
Es ist, obwohl als Phämomen bekannt, erschütternd zu erfahren, wie aus einem Kaktusfeld ein Parkplatz wird. Als Basis für Abenteuerreisen. Anderswo erwartet den Betrachter das Strukturabenteuer der Flechte.
Der Künstler als Anwalt der bedrohten Natur: Dort, wo der Kaktus als nutzbare Pflanze bloss noch gemalt auf einer Hüttenwand übriggeblieben ist und der Künstler sie (trotzig!) ins Bild zurückholt. Urs Brunner ist zwar ein virtuoser Erzähler, doch kein Pointenverteiler. Seine Fabel ist ins Bildhafte, also in Malerei übergegangen; der gleichsam «harte Kern» des Anliegens ist in die tiefen Schichten des Hintergründigen eingebettet. Auch verzichtet das Ergebnis nirgends auf erheblichen visuell-ästhetischen Reiz.
Claudia Crotti im «Burgdorfer Tagblatt», 1989
Zur Zeit können in der Dalerie «ist» in Burgdorf einige Werke des bernischen Künstlers Urs Brunner bewundert werden. Seine Bilder sind folgenden Themen gewidmet: Spuren/Urbanismus, Natur und Kultur, Natur und Zivilisation, Analogien, Feuer und Wasser sowie Zeitreisen.
Der Künstler Urs Brunner versteht es, mit seinen geradezu überrealistisch gemalten Bildern den Betrachter in seinen Bann zu ziehen. Seine eigene Faszination zur Wüste Arizonas strahlt aus den Bildern. Mit bis ins kleinste Detail zu bewundernden Genauigkeit verarbeitet er seine eigenen Eindrücke, gesammelt auf seinen «Wüstenreisen». Doch es sind Bilder, die nicht wie Fotografien betrachtet werden können. Urs Brunner zeigt den Widerspruch – den Kontrast auf. Einerseits die ursprüngliche Wüstenlandschaft, anderseits den Eingriff des Menschen in diese Ursprünglichkeit. So zum Beispiel in «Urbanismus». Ein vertikal dreigeteiltes Bild. Auf der ersten Ansicht die ursprüngliche Wüstenlandschaft, auf dem zweiten Bild ein Bagger, der die Kakteenlandschaft zerstört und auf dem letzten Bild das Resultat – ein Wohnwagenparkplatz. Der Eingriff der Zivilisation. Durch die Bilder von Urs Brunner wird der Sinn oder Unsinn menschlichen Handelns in Frage gestellt. So auch in «Kultur und Zivilisation I / Arizonans I». In der ersten Bildhälfte Indianer, die gerade ein Tier erlegen mussten, um zu überleben. In der zweiten Hälfte «Cowboys» mit Maschinengewehren. Immer wieder schafft Urs Brunner solche Analogien – Verbindungen, die ungewöhnlich erscheinen, jedoch der Realität entsprechen und den Betrachter in gewollter Nachdenklichkeit zurücklassen. Aber nicht nur in der Sand-Wüste Arizonas findet Urs Brunner Wechselseitiges, sondern auch in der Wasser-Wüste. Er vergleicht einen Wal mit einem U-Boot, das Wasser mit dem Sand, einen Rochenfisch mit einem Militärflugzeug. Im mittleren Teil der Ausstellung zieht für mich Urs Brunner wohl die extremste Form von Verbindung durch. Ein kleines zweigeteiltes Bild. Im oberen Teil eine Kakteenlandschaft in der Wüste, und im unteren Bildteil steht dieselbe Kakteenlandschaft im Wasser. Überstauungsvisionen?
msh. in «Der Bund», 1991
Die Arizona-Sonora-Wüste ist Urs Brunner zur Wahlheimat geworden. Er macht sich auf, sie zu erkunden, zu erforschen und sich mit Spuren und Zivilisationsrelikten auseinanderzusetzen. Wer sein Herz an etwas verloren hat, weiss, dass die einmal ausgelöste Faszination und die Sehnsucht kaum gestillt werden können. Also setzt er sich damit auseinander, malt, zeichnet auf und lotet sie aus bis in den hintersten Winkel und zu den letzten Überresten. So muss es Urs Brunner mit seiner Kakteenwüste ergehen, denn er zeichnet schonungslos, umfassend und mit einem magischen Realismus nach, was in diesem Landstrich zu finden ist. Dazu gehören Landkartenausschnitte und der Lebenszyklus eines Säulenkaktus ebenso wie die trivialen Erzeugnisse der amerikanischen Souvenir-, Populär- und Werbekultur. Und über allem bleibt der Zauber dieser scheinbar unendlichen Landschaft erhalten. Je mehr Reklameschilder, Telefonzellen, Cadillacs, Wohnwagen und grellbunte Kleinstädte im gleissenden Wüstenlicht unter einem bleigrauschweren Himmel erscheinen, umso weiter wird die Natur ringsum. Die «Zeitreise eines Saguaro- Lebenslaufes» wird abseits der Zivilisation zu einem Bogen, der sowohl von der Figur wie auch von der Beschaffenheit der Kakteenrinde her zum Sinnbild des Lebens schlechthin wird. Vom Lärm der Welt und ihrem Rummel, aber auch von der Stille einer Landschaft und einer inneren Reise erzählen diese Bilder Urs Brunners.
cop. in «Der Bund», 1995
Nicht nur Filmregisseure inspiriert die ausgemergelte Wüstenlandschaft im Süden des amerikanischen Bundesstaates Arizona zu skurrilen Meisterwerken. Auf den Berner Maler Urs Brunner übt sie eine geradezu magische Anziehungskraft aus. In einem meisterhaften Fotorealismus malt er grossformatige Landschaftsbilder, wo er den Einbruch der Zivilisation in die Wüste detailgetreu dokumentiert oder zum Teil fiktiv umsetzt. Auf subtile Weise hält er Analogien zwischen geologischen, botanischen und zoologischen Gegebenheiten fest. Den Menschen, mit seinen westlichen Kulturerrungenschaften, sieht er im ewigen Kreislauf von Entstehen und Vergehen aufs engste mit der Natur verbunden. Telefonmasten übernehmen die Struktur der allgegenwärtigen Säulenkakteen. Endlose, schwarz geteerte Strassen verlieren sich in der Weite der Wüste. Verbeulte Wohnwagen stehen verlassen in der gleissenden Sonne. Raffiniert spiegelt und betont Urs Brunner die Eigenart der Natur in den grellbunten Architekturen und den einsamen Tankstellen. In den kleinformatigen Aquarellen setzt er anachronistisch reale und fiktive Elemente in einem Bild nebeneinander. Zeugnisse vergangener Zeiten, wissenschaftlich genau gezeichnet, setzt er in einen originalen geographischen Kontext. Spielerisch gekonnt rekonstruiert er Bezüge zum noch Bestehenden.
pan. in «Der Bund», 1999
Schlangen, Schlangen in allen Variationen, in der Bergwelt des Berner Oberlands und in der Sonnenwüste der südlichen USA. Schlangenhäute, sich häutende Schlangen, Varietäten einer bestimmten Schlangenart, in der Art einer wissenschaftlichen Zeichnung festgehalten, scheinbar objektiv, kühl und distanziert. Aber nur scheinbar. Denn die Acryl-Gemälde, die Aquarelle und Farbstiftzeichnungen, die Urs Brunner in der Galerie Krebs zeigt, sind bei aller Akribie, die auf das genaue Darstellen verwendet wird, nie blosses Ab-Bild. Sie sind Chiffren für den Umgang des Menschen mit der Umwelt, sind deshalb faszinierend und erschreckend zugleich.
Neben den «Masken», die die Schlangen offenbar beim Häuten zu ihrem Schutz präsentiern, hängt die Maske eines Perlentauchers und die Atemschutzmaske gegen Giftgas. Die einzelne Zeichnung bekommt im Kontext eine ganz neue Bedeutung. Der Flugpionier, im Triumph gezeigt, wie wir ihn von Fotografien kennen, wird neben den Planausschnitt des Absturzortes gestellt. Schiffe gehen unter, Wracks ragen aus dem Wasser oder werden von Tauchern besucht.
Es wirkt wie ein Hohn, dass der genaue Ort und die Tiefe des Wassers angegeben wird. «Vipern, Wracks und Wüsten», so lautet der Titel der Ausstellung, ist eine faszinierende Mischung von Anziehendem und Abstossendem: Anziehung ist die wunderbare Art der Darstellung, abstossend oft genug der Inhalt: Da rosten Autowracks in der Wüste vor sich hin, am einen hängt noch ein Wahlplakat. Die Wüste, so sehen wir auf einem andern Bild, wird vom Menschen erobert: Ein verbeultes Auto und ein ausrangierter Wohnwagen markieren den Eingriff der Menschen. Die Indianer sind vertrieben, sie dienen gelegentlich noch als Werbeemblem, aber auch die Zeit der Siedler-Pioniere ist abgelaufen, der Highway führt heute durch die Wüste. Und die Schlange ist gezähmt: mal als Amulett, mal als Gürtelschnalle. Urs Brunners Kritik ist fein. Er klagt nicht an, er macht aufmerksam. Seine Bilder lassen nicht kalt, gerade weil sie objektiv-präzis zu zeigen verstehen.
Helen Lagger in der «Berner Zeitung», 2005
Taucher, Forscher, Sammler, Künstler – für Urs Brunner gehören alle vier Disziplinen zusammen. Seine Bilder, die auf den ersten Blick wie Illustrationen aus Biologiebüchern aussehen, entstehen durch eigene Beobachtungen. Eine besondere Beziehung hat Brunner zur Wildnis und deren Bewohnern. Bereits zum vierten Mal stellt der Künstler in der Galerie Krebs aus. Diesmal unter dem Titel «Mare Mediterraneum». Das Programm ist dem Kulturraum des Mittelmeeres mit dem Leitmotiv des achtarmigen Kraken gewidmet. In seinen Aquarellen hat sich Brunner mit Form und Mythologie des Kraken auseinander gesetzt. Er hat Bewegungsabläufe festgehalten und gleichzeitig Vasen aus der Antike, die den Kraken als Ornament benutzten, dazu assortiert. So stellt er Natur und Kultur gegenüber. Überhaupt arbeitet Brunner oft mit Fundgegenständen, seien es Natur-, Kultur- oder Zivilisationsrelikte. Die Bilder sind realistisch, weil sie in radikaler Schärfe die Realität abbilden, und magisch, weil sie uns in eine Welt der gesunkenen Wracks, der Meeresmonster und der Mittelmeerkultur entführen und weil dies ein Künstler und nicht ein Wissenschaftler tut.
Marianne Mühlemann in «Der Bund», 2012
Sein Atelier steht in Bremgarten. Hier lebt und arbeitet Urs Brunner. Die Motive zu seinen Bildern jedoch stammen aus der weiten Welt. Mit akribischer Genauigkeit aquarelliert der Künstler die Eindrücke seiner Reisen auf Papier oder bannt sie mit Acryl auf Leinwand, Impressionen, die er mit der Kamera zuvor eingefangen hat. Vieles kann das sein und Gegensätzliches: So findet man in seinen Malereien wilde Wüsten- und gespenstische Urbanlandschaften oder futuristisch anmutende Kakteenhaine und Zivilisationsfriedhöfe, die er auf Abenteuerreisen über und unter Wasser angetroffen hat. Mit scharfer Beobachtungsgabe und geleitet von Offenheit und Neugier erforscht Brunner seine Umwelt und bringt im Atelier ihre Schönheiten und Widersprüche, ihre Formen und Farben auf Papier. Hyperrealistisch und durchkonstruiert wirken seine Bilder, wie Gemälde mit wissenschaftlichem Anspruch. Doch da ist mehr als die Realität. Brunner gelingt es, eine Dimension des Fantastischen aufzuzeigen, ohne in surreale Interpretationen abzugleiten. Er nimmt sich die Freiheit, die Wahrheit eines einzelnen fotografischen Eindrucks durch weitere Aufnahmen des Gleichen zu ergänzen oder zu ersetzen. Indem er in einem künstlerischen Anachronismus Bildebenen und Zeiten zusammenbringt, für ein Bild eine ungewöhnliche Perspektive wählt oder in Doppelbildern mit Analogien verblüfft, verleiht er der Realität eine magische Patina.
Nicola Schröder in der «Berner Zeitung», 2012
Ebenfalls vom Leben unter der Sonne berichten die Gemälde vom Berner Urs Brunner, die in der Galerie Martin Krebs zu sehen sind. Die Herangehensweise Brunners, der wie Silvia Gertsch der realistischen Darstellungsweise verpflichtet ist, schlägt sich demgegenüber in einer eher kristallinen Klarheit nieder. Sein persönliches Faszinosum, der amerikanische Saguaro oder Säulenkaktus – das Wahrzeichen des US-Staates Arizona –, erscheint dabei als dominantes Motiv in verschiedensten landschaftlichen und städtischen Arrangements. Spannend ist der schmale Grat zwischen naturgetreuer Abbildung und hyperrealistischer Überspitzung. Insbesondere in der Gegenüberstellung entstehen irritierende Momente. Solche sind auch in anderen Werkgruppen mit Flugzeugen, authentischen Flugzeugfriedhöfen oder Schiffswracks auszumachen. Brunner setzt verstärkt auf die Wiederholung und untersucht damit unter anderem den Wandel von Orten und Gegebenheiten.
Martin Bieri in «Der Bund», 2015
Durch die Kündigung ist Kreb’s Planung durcheinandergeraten. So hat sich nun eine terminliche Möglichkeit ergeben, die Ausstellung mit den drei «Ursen», «les trois ours de Berne», zu realisieren, die Krebs schon lange im Sinn hatte. Doch was haben die drei ausser ihrem urbernischen Vornamen und den langen Spuren, die die über 70-jährigen Künstler in der Berner Szene hinterlassen haben, gemeinsam? Man erkennt eine Auseinandersetzung mit realistischer Darstellungsweise und mit Fotografie. Urs Brunner zum Beispiel bezeichnet seine Bilder als «hyperrealistisch». Sie sind nach Fotos gemalt und dennoch komponiert. Die Steine im Vordergrund von «Kap Vani» sind Vergrösserungen von Kieseln, die nicht dort gelegen haben, wo sie der Maler nun hinsetzt, genau wie die Klapperschlange in den «Tucson Mountains». Insofern sind Brunners Bilder Kompromiss. Nicht so die kleineren Arbeiten im Stile wissenschaftlicher Illustrationen, die Steine oder Schwämme zeigen, an Lehrbücher von früher erinnern und dadurch ihre eigene Darstellungsweise reflektieren.
Alice Henkes im «Bieler Tagblatt», 2015
«Les trois ours de Berne», Urs Brunner, Urs Dickerhof und Urs Stooss stellen Werke bei Martin Krebs aus. Neben ihrem gut schweizerischen Vornamen eint die drei Berner Bären die Zugehörigkeit zu einer Generation (alle sind um die 70) und ein festes Band der Freundschaft. Künstlerisch erfolgreich sind sie auch alle drei. Nur in ihrer Kunst, da sind sie sehr unterschiedlich. Urs Brunner malt Landschaften und Arrangements von Alltagsobjekten in detailverliebtem und farbkräftigem Hyperrealismus. In seinen aktuellen Arbeiten lenkt er den Blick in südliche Regionen Europas und der USA. In Ansichten von Buchten und Autofriedhöfen zelebriert er das satte Blau von wolkenlosen Himmeln über Meer, Sand, Kakteen und altem Blech.